Heerschau Hitlers auf dem Schlossplatz

Als nach Inflation, Ausnahmezustand und Zerschlagung wichtiger Errungenschaften von 1918 die bürgerliche Rechte im Jahre 1924 ans politische Ruder gelangte, wurde der antidemokratische Symbolgehalt des Schlosses aktiviert. So nutzte der Stahlhelm, der Reichsverband der Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges, den Schlossplatz für paramilitärische Aufmärsche.

Der Stahlhelm war auch dabei, als sich im Oktober 1931 die „nationale Opposition“ in Bad Harzburg traf, d.h. Interessenverbände und Parteien, die die parlamentarische Demokratie strikt ablehnten: der ehemalige Reichsbankchef Schacht, Hitler, Pressezar Hugenberg, General von Seeckt u.a. Das Bündnis „Harzburger Front“ hielt nicht lange. Vieles spricht dafür, daß der „Bruderzwist im Hause Harzburg“ begann, als Hitler eine Woche später 100.000 SA uns SS-Leute aus allen Teilen des Reiches nach Braunschweig zusammentrommelte, um seinen Führungsanspruch zu demonstrieren. Braunschweig war ein günstiger Aufmarschplatz für die Nazis, denn seit Oktober 1930 regierte im Land eine Koalition aus bürgerlichen Parteien und NSDAP.

Die SA und SS-Horden verwüsteten am 17./18. Oktober 1931 jüdische Geschäfte in der Innenstadt und drangen in die Arbeiterviertel ein; der Schuhmacher Hermann Fischer wurde offener Straße niedergestochen und totgeschlagen, der Arbeiter Engelke erschossen.

Als „ein Erlebnis von ungeheurer Wucht und Eindringlichkeit“ feierte die bürgerliche „Braunschweigische Landeszeitung“ das SA-Treffen. Die frühe nazifreundliche Haltung der renommierten Landeszeitung dürfte einiges zur raschen „Nazifizierung“ des Bildungs- und Besitzbürgertums im Land Braunschweig beigetragen haben.

Die Schauspielerin Anneliese Dorits beobachtete als Jugendliche den sechsstündigen Aufmarsch aus einer Wohnung, von der man den ganzen Schlossplatz überblicken konnte:

„Die Straße zum Schlossplatz war damals noch sehr eng; sie mündete aber dann in eine breitere Straße, die direkt zum Platz führte. Zunächst versammelten sich die Gruppen, die am Aufmarsch teilnehmen sollten, auf einem kleinen Platz vor der engen Straße. Erst nachdem sie dieses Nadelöhr passiert hatten, formierten sie sich zu breiten Reihen, die schließlich vor Hitlers Podest vorbeimarschierten. Pausenlos spielte eine Militärkapelle, und Hitler stand mit erhobener Hand, in soldatischer Haltung, ungefähr sechs Stunden lang, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Als mir dann auch noch einfiel, dass er während all dieser Stunden nicht einmal auf die Toilette gegangen war, wurde er für mich zum Übermenschen, vor dem ich gewaltigen Respekt hatte.“

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